In den ersten Lebensjahren beginnt Kommunikation weit vor dem ersten gesprochenen Wort. Wir wissen: Sprache entwickelt sich nicht isoliert, sondern entsteht aus einem Fundament früher sozialer und kommunikativer Erfahrungen – den sogenannten vorsprachlichen Fähigkeiten.
Was sind vorsprachliche Fähigkeiten?
Vorsprachliche Fähigkeiten sind die Bausteine, auf denen Sprache aufbaut. Sie helfen dem Kind, mit anderen in Kontakt zu treten, gemeinsame Aufmerksamkeit zu teilen und allmählich ein Gefühl für Austausch und Kommunikation zu entwickeln.
Zentrale vorsprachliche Fähigkeiten mit Beispielen aus dem Alltag:
Reaktion auf Umweltreize, z. B. das Kind dreht sich zu einem lauten Geräusch oder zeigt Interesse an einem blinkenden Spielzeug.
- Reaktion auf Menschen
z. B. es schaut zur Bezugsperson, wenn der Name gerufen wird, oder lächelt zurück. - Beginn von Turn Taking (Wechselspiel)
z. B. es rollt einen Ball zurück oder wartet, bis es wieder an der Reihe ist. - Längere Aufmerksamkeitsspanne
z. B. es bleibt bei einem Spiel, wie Türmchen bauen oder Kuckuck spielen, für einige Minuten dabei. - Geteilte Aufmerksamkeit (Joint Attention)
z. B. es schaut von einem spannenden Objekt zum Erwachsenen, um das Interesse zu teilen. - Spiel mit unterschiedlichen Gegenständen
z. B. es schiebt ein Auto, füttert eine Puppe oder sortiert Formen, statt nur mit Spielzeug zu werfen. - Verständnis erster Wörter und Anweisungen
z. B. es reagiert auf «Komm her», «Gib mir den Ball» oder zeigt auf Körperteile («Wo ist deine Nase?»). - Gezielte Lautäusserungen
z. B. es brabbelt im Spiel, ruft jemanden oder zeigt Unmut durch Laute. - Nachahmung von Gesten, Lauten und Worten
z. B. es klatscht mit, winkt oder sagt «Oh oh!» nach. - Verwendung erster Gesten
z. B. es zeigt auf etwas Gewünschtes oder hebt die Arme, um hochgenommen zu werden. - Initiative zur Kontaktaufnahme
z. B. es bringt ein Spielzeug, zieht am Ärmel oder sucht Blickkontakt, um ein Spiel zu beginnen.
Warum diese Fähigkeiten so wichtig sind:
Viele Eltern sorgen sich, dass der Fokus auf vorsprachliche Fähigkeiten die Sprachentwicklung verzögern könnte. Doch das Gegenteil ist der Fall: Wenn wir Kinder in ihrer vorsprachlichen Entwicklung stärken, bauen wir die Brücke zur Sprache.
Diese frühen Fähigkeiten sind nicht nur Voraussetzung für verbale und non verbale Kommunikation, sondern sie helfen Kindern auch, sich verbunden zu fühlen, verstanden zu werden und motiviert zu sein, sich mitzuteilen. Das gilt besonders für Kinder im Spektrum, für die der Zugang zu sozialer Interaktion oft nicht selbstverständlich ist.